Wie jedes Jahr lockt am kommenden Samstag der European Songcontest Millionen Zuschauer vor die Fernsehgeräte. Es ist das wohl größte Musikevent im Mainstream, zumindest dem Hype nach. Und Mainstream muss bei diesem Wettbewerb großgeschrieben werden. Er ist so stromlinienförmig, dass es sich an dem Programm ablesen lässt, was gerade als politisch korrekt gilt. Aus den Songtexten der Teilnehmer spricht die herrschende Meinung. Die ideologische Propaganda klebt an deren Haaren und Outfits, sie durchdringt das Bühnenbild und macht es zu einem semiotischen Feld, auf dem sich die Definitionsmacht großspurig selbstinszeniert.
Der ESC ist für Musikliebhaber ungenießbar, für kritische Geister der außerparlamentarischen Opposition ist er geradezu unerträglich. Doch für sie gibt es eine probate Alternative. Parallel zum Mainstream-Event veranstaltet NuoViso am gleichen Abend und zur gleichen Uhrzeit den NuoVision Songcontest.
Der diesjährige alternative Wettbewerb ist der bereits vierte. Sein Start fiel in die Hochphase der Corona-Krise 2021, als die Maßnahmenpolitik die Stimmung trübte und deren Kritiker nach Lebensfreude dürsteten. «Viele Künstler, Musiker und Hobbysänger hatten zu viel Zeit und Langeweile», erklärt Frank Höfer, Gründer und Initiator von NuoViso.
Die Produktionsfirma musste damals ebenfalls auf die Einschränkungen und Social-Distancing-Gebote reagieren und kreierte das neue Format «Home Office», eine digitale Talkshow, in der aktuelle gesellschaftspolitische Themen besprochen werden. «Anlässlich der 100. Jubiläumsausgabe wurden uns unerwartet viele Musikvideos zugesandt, um sie in dieser Sendung auszustrahlen», erinnert sich Höfer. «Die Quantität und Qualität war so gut, dass mir beim Radiohören, wo es gerade um den ESC ging, die Idee kam, einen Alternativwettbewerb zu initiieren.» Der NuoVision Songcontest war geboren.
Authentizität statt Ideologie
Anders als beim ESC steht hier die Authentizität im Vordergrund. Auf schrille Farben und gekünstelte Gesten wird verzichtet. Stattdessen geht es um echte Emotionen und eine ausgewogene Unterhaltung, die nicht moralisierend oder wahnhaft politisierend wirkt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt nicht nach ideologischen Gesichtspunkten. Die Macher setzen eher auf Talent und Publikumswirkung. Die Show soll die Herzen erreichen und in ihrer Grundausrichtung unangepasst sein.
Da die Teilnehmer beim NuoVision Songcontest nicht live auftreten, wird den Zuschauern deren Beitrag als Musikvideo präsentiert. Dieses sollte keine Standbilder enthalten und nicht älter sein als ein Jahr. «Ein interessantes Musikvideo ist genauso von Vorteil wie ein kritischer Songtext», sagt Höfer. Bevorzugt werden auch Beiträge in deutscher Sprache. Allerdings ist das kein Muss, wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat: Jedes Mal nahmen internationale Künstler teil.
Von Hip-Hop, über Pop bis hin zu Volksmusik
Musikalisch deckt der NuoVision Songcontest ein breites Spektrum ab. Von Hip-Hop, Pop und Rock bis hin zu Volksmusik und Country ist fast jedes Genre vertreten. Mal sind die Stücke melodiebetont, mal textstark, mal energisch, mal sanft. Thematisch werden Zeitphänomene wie beispielsweise Waffenlieferungen, staatliche Überwachung oder die Abschaffung von Bargeld behandelt. Die Künstler besingen die Freiheit, appellieren an Gerechtigkeit oder setzen sich für ein friedvolles Miteinander ein.
Als Moderatoren führen Frank Höfer und sein Kollege Robert Stein durch die Sendung. Während sie die 26 teilnehmenden Acts ankündigen, bewertet eine dreiköpfige Jury nach jedem Beitrag die künstlerische Darbietung. Sie ordnet die Songs musikalisch ein, kommentiert die Machart des Videos oder kritisiert handwerkliche Fehler. Zwar vergeben alle drei Jurymitglieder Punkte, entscheiden aber nicht darüber, wer aus dem NuoVision Songcontest als Sieger hervorgeht. Diese Rolle kommt den Zuschauern zu, die via Internet abstimmen.
Gewinner der letzten Jahre
Bei der Premiere im Jahr 2021 setzte sich der Wiesbadener Musiker Ralph Valenteano mit dem Song «Viel zu esoterisch» durch. Das Stück behandelte die damaligen Diffamierungsnarrative über Andersdenkende und karikierte sie auf ironische Weise zu einem funky-groovigen Sound. Beim NuoVision Songcontest im Jahr danach fungierte Valenteano dann selbst als Jurymitglied. Der erste Platz ging 2022 an die Frauenband Corona Bavaria, die die Zuschauer mit dem Lied «Frieren für den Frieden» überzeugte.
Während hier die Energiepolitik der deutschen Ampel-Regierung infolge des Ukraine-Kriegs behandelt und satirisch zugespitzt wurde, schlug der Sieger des NuoVision Songcontests 2023 ernste Töne an. Der Berliner Rapper Phizzo gewann ihn mit «Plötzlich und unerwartet», einem schonungslosen wie anklagenden Song, der die Folgen der mRNA-Impfung thematisierte.
In diesem Jahr treten wieder 26 Acts an. Das NuoViso-Team hat sie aus knapp 70 Bewerbern ausgewählt. Entschieden wird immer intern. Wenn Uneinigkeit herrscht oder Stimmengleichstand besteht, findet ein Vorentscheid mit den «Wackelkandidaten» statt. So geschah es auch dieses Mal in einer «Home Office»-Sendung. Allerdings gab es neben dem Sieger zwei Zweitplatzierte. «Also haben wir alle drei in den Hauptwettbewerb passieren lassen», sagt Höfer.
Teilnehmer des diesjährigen NuoVison Songcontests
Somit sind Musikkabarettist Franz Esser, die schwedische Sängerin Jarnna und der Singer-Songwriter Glöcklich genauso am Samstag beim NuoVision Songcontest 2024 dabei wie viele weitere Kollegen aus der alternativen Musikszene. Das Hip-Hop-Genre werden unter anderem die Rapbellions und Skogan repräsentieren. Der Dresdner Gitarrist Yann Song King vertritt hingegen das Metier der musikalischen Satire, mit einem Song, der Karl Lauterbachs Idee eines Hitzeschutzplans spitzzüngig durch den Fleischwolf dreht.
Die Jazz- und Pop-Sängerin Alexa Rodrian thematisiert in ihrem Beitrag das Schicksal der Menschen im Nahen Osten, der Musiker Licht ruft zum Aufwachen auf, und der Alpen-Gitarrist Wurzelmo widmet sich den politischen Etiketten «Links» und «Rechts». Ebenfalls mit dabei sind die Sieger der letzten beiden Jahre. Während Corona Bavaria die mediale Produktion von Feindbildern durch den Kakao zieht, übt Phizzo mit «Wirf die Glotze aus dem Fenster» Medienkritik in deftiger Rap-Manier.
Der Gewinner des ersten NuoVision Songcontests, Ralph Valenteano, sitzt dieses Mal abermals in der Jury. Flankiert wird er von der Lichttechnikerin und VJ Zabi sowie dem NuoViso-Urgestein Frank Stoner, der sich in der Musikgeschichte auskennt wie kein anderer. Die Zuschauer erwartet ein bunter Abend voller Unterhaltung. Die Macher haben für die diesjährige Ausgabe sogar eine Überraschung angekündigt. Aufgelöst wird sie bei der Vorstellung der teilnehmenden Künstler und schließlich mit einer Aktion verknüpft, die über die Sendung hinausgehen soll.
NuoVision Songcontest, Samstag, den 11. Mai 2024, um 19 Uhr live auf NuoFlix.
Kommentare