Neu aufgetauchte interne Unterlagen zeigen, dass fossile Brennstoffunternehmen und die Kunststoffindustrie über 50 Jahre lang mit dem Mythos eines praktikablen Kunststoffrecyclings hausieren gegangen sind, obwohl sie insgeheim zugaben, dass die bestehenden Recyclingmethoden unzureichend waren.
Das geht aus einem neuen Bericht des Center for Climate Integrity mit dem Titel «The Fraud of Plastic Recycling: How Big Oil and the plastics industry deceived the public for decades and caused the plastic waste crisis» hervor (Der Plastikrecycling-Betrug: Wie die weltweit grössten Öl- und Gaskonzerne und die Kunststoffindustrie die Öffentlichkeit jahrzehntelang täuschten und die Plastikmüllkrise verursachten).
«Der Bericht erscheint in einer Zeit, in der sich die weltweite Krise des Plastikmülls verschärft und Umweltorganisationen zunehmend fordern, dass die grossen Unternehmen der fossilen Brennstoffe und der Petrochemie für die Plastikverschmutzung verantwortlich gemacht werden», schreibt The Defender zu diesem Report. Denn die Vermüllung des Planeten mit Plastikabfall stelle eine Bedrohung für die menschliche und globale Gesundheit dar.
In dem neuen Report heisst es dazu:
«Obwohl sie seit langem wissen, dass das Recycling von Kunststoffen weder technisch noch wirtschaftlich machbar ist, haben petrochemische Unternehmen – unabhängig und über ihre Branchenverbände und Tarnorganisationen – betrügerische Marketing- und Aufklärungskampagnen durchgeführt, um die Öffentlichkeit über die Machbarkeit des Kunststoffrecyclings in die Irre zu führen.»
Der Bericht, so The Defender, beschreibe, wie die Industrie ein vertrautes strategisches Konzept angewandt habe, um sich gegen die drohende Regulierung zu wehren, indem sie ein irreführendes Narrativ und falsche Behauptungen über Kunststoffe und Recycling verbreitet habe. Dabei hätten die Verantwortlichen die ganze Zeit gewusst, dass die Recyclingfähigkeit von Kunststoffen eher eine PR-Botschaft als eine wirksame Lösung des Abfallproblems war.
In einer Pressemitteilung wird CCI-Präsident Richard Wiles mit folgenden Worten zitiert:
«Wenn Unternehmen und Handelsgruppen wissen, dass ihre Produkte schwerwiegende Risiken für die Gesellschaft darstellen, und dann die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger darüber belügen, müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden. Rechenschaft bedeutet, dass sie mit den Lügen aufhören, die Wahrheit sagen und für den von ihnen verursachten Schaden aufkommen müssen.»
Kunststoffe werden aus fossilen Brennstoffen gewonnen, und viele grosse Öl- und Gasunternehmen wie ExxonMobil, Shell und Occidental Petroleum haben chemische Abteilungen, die Kunststoffe und Kunststoffbestandteile herstellen.
Die sprunghaft angestiegene Kunststoffproduktion habe zu einer massiven Abfallkrise geführt, insbesondere bei Einwegplastik, so The Defender. Und die seit Jahrzehnten angewandten herkömmlichen Recyclingmethoden hätten sich nicht als erfolgreich erwiesen, um das Problem zu lösen.
So lägen die Kunststoffrecyclingraten in den USA bei nur fünf bis sechs Prozent, was nicht überrasche, wenn man bedenke, dass die meisten Kunststoffe nicht für ein effektives Recycling ausgelegt seien. The Defender:
«Es gibt zu viele verschiedene Arten von Kunststoffen, die jeweils Tausende von chemischen Zusätzen enthalten, sodass eine Sortierung und Reinigung des Abfallmaterials weitgehend undurchführbar ist. Das Verfahren zur Herstellung von recyceltem Kunststoff ist kostspielig und das [daraus entstehende] Produkt ist von geringerer Qualität, was die Rentabilität des Kunststoffrecyclings weiter einschränkt.
Die Kunststoffindustrie und die petrochemische Industrie wussten, dass das Recycling unüberwindbare Herausforderungen mit sich bringt, wie der neue Bericht zeigt.»
Der Bericht enthülle unter anderem, wie Vertreter von Unternehmen und Handelsverbänden die Unzulänglichkeiten des Kunststoffrecyclings schon vor Jahrzehnten insgeheim erkannt hätten. Dokumente von der Ersten Nationalen Konferenz über Verpackungsabfälle im Jahr 1969 würden etwa aufzeigen, dass sich die Industrie mit dem Entsorgungsproblem von Kunststoffverpackungen auseinandergesetzt habe.
Und dabei habe man festgestellt, dass die riesigen Mengen an verschiedenen Polymermischungen und Additiven, die in Kunststoffen enthalten seien, die Materialien nach dem Gebrauch «praktisch nicht wiederverwertbar» machten. Als Folge davon habe man zugegeben, dass das Recycling von Verpackungsabfällen «praktisch hoffnungslos» sei.
**********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2023 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Kommentare