Wir beugen unsere Knie entweder vor Gott oder vor den Menschen. Dementsprechend suchen wir unsere Anerkennung. Das Phänomen ist altbekannt. In unseren Tagen feiert es fröhliche Auferstehung.
Die Schlagseite ist allerdings auf Letzterem: dem Applaus der Massen und der Mächtigen. Um diesen Beifall buhlen die katholischen Bischöfe als Handlanger des Ukraine-Krieges ebenso wie die Gratismutigen «gegen Rechts». Erstere beglaubigen damit ihr offizielles Gelöbnis zu unbedingtem Staatsgehorsam, Letztere suhlen sich in ihrer Zustimmung zu staatlichem Diktat.
Recht und Gesetz erscheinen dabei je länger, desto offensichtlicher nur noch als vorgeschoben. Wenn ein 16jähriges Mädchen «zu ihrem eigenen Schutz» keine blauen Schlümpfe mehr mit der blauen Farbe einer Partei zusammenbringen darf und deswegen von der Polizei aus dem Unterricht eskortiert wird, dann ist das, wie die NZZ zu recht schreibt, ein «Dammbruch».
Die Geschichte, ins Rollen gebracht von der Jungen Freiheit, macht seit Tagen die Runde; in Deutschland vor allem in den alternativen Medien, zunehmend aber auch international. Neben diesem Filmchen hatte sie auf dem Plattform TicToc auch schon Deutschland als «Heimat» bezeichnet ‒ und damit, wie einer der Polizisten gemeint hatte, «zuviel Nationalstolz» gezeigt.
Ihr Schuldirektor höchstselbst hatte der Schülerin nachgeschnüffelt und mit jenem Video «mutmaßlich staatsschutzrelevante Inhalte» assoziiert. Ein Anruf bei der Polizei drängte sich ihm auf.
Der Rest der Geschichte dürfte sich soweit herumgesprochen haben: Direktor Zimmermann platzt in die Chemie-Stunde, vor der weitgeöffneten Tür warten drei Polizisten, die das Mädchen in Gefangenen-Formation zum Lehrerzimmer geleiten, um mit ihr ein «normenverdeutlichendes Gespräch» zu führen.
Die inzwischen erfolgte Rückfrage von Journalisten, welche Normen das denn seien und wer eigentlich wem was genau zu verdeutlichen hätte, die mögen demnächst auch die Strafrichter beantworten. Denn inzwischen ist jedenfalls gegen den Schulleiter Strafanzeige erstattet worden. Im besseren Falle werden den Beschuldigten damit auch verschüttete staatspolitische wie pädagogische Werte wieder freigelegt.
Noch im vergangenen Monat hat das betroffene Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten an der Ostsee eine Ausstellung zum Thema «Demokratie stärken» durchgeführt. Darüber sollte den Schülern aufgezeigt werden, «warum es für unsere Gesellschaft wichtig ist, sich für die Stärkung der Demokratie einzusetzen». Das hielt aber den Direktor nicht davon ab, eine Schülerin mit nicht genehmen Ansichten zu denunzieren.
Doch mir geht es nun weniger um die politische oder allgemein moralische Ebene − die Mutter der Betroffenen spricht von «Stasi-Scheiße» −, sondern um die je persönliche menschliche. Es scheinen ganz grundlegende Maßstäbe ins Wanken geraten, ja weggebrochen zu sein.
Die ganze Sache erinnert mich darum frappant an eine Mahnung von Jesus gegen die Pharisäer. Worauf kam es ihnen denn an bei ihrem vermeintlichen Recht-Tun? Auf ein gottgefälliges Leben? Auf eine − säkular übersetzt − selbstlose Orientierung an übergeordneten gemeinsamen Werten? Nach ihrem eigenen Urteil war das sicherlich so.
Jesus urteilte anders: Gute Werke dürften nicht zum Vehikel der Selbstdarstellung verkommen (Matthäus 6,1-4), und das Beten sei nicht dazu da, um vor den Menschen als ach so fromm dazustehen (Matthäus 6,5). Ebensowenig geht es an, mögliche Kleinigkeiten beim anderen anzuprangern; man könnte viel Größeres bei sich selbst übersehen haben (Matthäus 7,1-5).
In dieselbe Richtung geht die Mahnung des Paulus im Römerbrief, Kapitel 2: «Worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest» (Römer 2,1).
An jener Schule hingegen sollte an einer Minderjährigen ein Exempel statuiert werden, das jeglichen pädogogischen Zielen Hohn spricht. Wo einzelne − «Freunde und Helfer» wie «Pädagogen» − ihre Position missbrauchen, um sich persönlich zu profilieren, ist eine Grenze zum Pharisäertum neuzeitlicher Prägung überschritten.
Wenn das weiter einreisst, dann überbietet dies das Bild Jesu von den «blinden Blindenführern» (Matthäus 15,14). Dann sind wir bei den «Wölfen im Schafspelz» (Matthäus 7,15) und den staatsbediensteten «Hirten ..., die sich selbst weiden» (Hesekiel 34,2).
Das Ergebnis solcher Aktionen sind eine weitere Spaltung der Gesellschaft und eine Einschüchterung von Andersdenkenden.
Das Ergebnis solcher Bibelworte sind ein klarer Geist und ein zutiefst verantwortliches Reden und Handeln.
Aber eben:
«Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?» Johannes 5,44
************
Wort zum Sonntag vom 10. März 2024: Jenseits modischer Magie
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
Kommentare