Es waren die Jugendserien der Nuller- und der Zehnerjahre von Nickelodeon wie «iCarly», «Victorious» und «Drake & Josh», die die Schulkinder von damals prägten. Sie gehörten zu den wichtigsten Gesprächsthemen auf den Pausenhöfen, da sie das Lebensgefühl und die Gedankenwelt der Kinder dieser Jahre zeigten.
Was passierte aber hinter den Kulissen bei den Drehs? Die junge YouTuberin Amala Ekpunobi äusserte sich in ihrem vor allem von Jugendlichen viel beachteten Kanal ausführlich dazu. Sie beruft sich dabei vor allem auf «Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV» (Stille am Set: Die dunkle Seite des Kinderfernsehens), eine neue Doku-Serie, die gegen Ende März auf HBO Max erschienen ist. Darin wird geschildert, dass das Arbeitsumfeld bei den Drehs toxisch war und die Kinderdarsteller des Senders Nickelodeon sogar Missbrauch ausgesetzt waren.
Auch in europäischen Kabelnetzen ist der Kindersender Nickelodeon omnipräsent – und auch die eingangs erwähnten Serien waren es. Was hinter den Kulissen geschah, darüber berichten aber die hiesigen Medien nur sehr zurückhaltend (ein Beispiel hier).
Gerüchte über unschöne Dinge bei Nickelodeon gab es schon länger. Was auffällt, wenn man als Erwachsener die Sendungen betrachtet, ist, dass der Humor für die angegebene Alterskategorie zum Teil als unangemessen angesehen werden kann. Zu erwähnen wären da etwa minderjährige Darstellerinnen in Bikinis oder die 16-jährige Ariana Grande, die eine Kartoffel melkt. Sexualisierung? Sind das vielleicht nur Häppchen, damit auch Eltern ihren Spass haben?
Aber der Reihe nach. Schon seit einiger Zeit hatte es Gerüchte über den Drehbuchautor und Filmemacher Dan Schneider gegeben.
Jennette McCurdy, eine der Hauptdarstellerinnen aus iCarly, gab vor zwei Jahren an, durch Schneider während der Dreharbeiten unangenehme Situationen erlebt zu haben. Das reichte von Massagen, die als unangemessen empfunden wurden, bis zur Animierung zum Alkoholkonsum. Schneider bestritt die Vorwürfe, wurde aber von Nickelodeon entlassen. Nachweisen konnte man ihm nie etwas Handfestes.
In der Dokumentation wird die problematische Arbeitskultur in Bezug auf Kinderdarsteller in der US-amerikanischen Film- und Fernsehindustrie aufgedeckt.
Schneider wird auch in der Doku beschuldigt, ein toxisches Arbeitsumfeld geschaffen zu haben, in dem Mitarbeiterinnen erniedrigt und Beziehungen zu minderjährigen Schauspielern unterhalten wurden, die entweder zu freundlich oder zu feindselig waren – je nachdem, ob das Kind vorher auf seine Avancen eingegangen war. Die Dokumentation zeigt auch, wie in Schneiders Produktionen Kinder mit sexuell anzüglichem Material konfrontiert wurden.
Des Weiteren wird die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen in der Branche aufgezeigt, insbesondere durch die Berichte zweier weiblicher Drehbuchautorinnen bei Nickelodeon, die von sexistischen Scherzen und Diskriminierung am Arbeitsplatz berichten.
Die Dokumentation betont auch die Schwierigkeiten, mit denen sich junge Talente in der Unterhaltungsindustrie konfrontiert sehen, insbesondere in Bezug auf physischen Missbrauch. Zum Thema gemacht wird hier der Fall des Schauspielers Drake Bell, der als Teenager im Zusammenhang mit einem Nickelodeon-Dreh vergewaltigt wurde. Der Vergewaltiger wurde zu 16 Monaten Haft verurteilt. Dennoch arbeitete er danach wieder im Kinderfernsehen. Er wechselte zu Disney.
Insgesamt beleuchtet «Quiet on Set» die Missstände in der Branche und fordert ein Umdenken, um die Sicherheit und Würde aller Beteiligten zu gewährleisten. Während Ekpunobi dies anerkennt, fragt sie sich gleichzeitig, ob die Doku nicht zu viel Wert auf die Kritik an der fehlenden Korrektheit der Nickelodeon-Serien legt und Dingen wie Vergewaltigung und Belästigungen zu wenig Beachtung schenkt.
Kommentar Transition News
Auch heute noch werden die genannten Serien von Nickelodeon auf der ganzen Welt ausgestrahlt. Wenn immer Kinder in einer Fernsehserie auftreten, dann steckt Kinderarbeit dahinter. Die Arbeitsbedingungen dieser Kinder rücken nun zaghaft ins Blickfeld der Öffentlichkeit – allzu zaghaft.
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