Reger Schiffsverkehr unweit der zukünftigen «Umweltzone» in Stockholm. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Dicker Qualm steigt von den Schornsteinen der historischen Schiffe auf, die im Zentrum von Stockholm an- und ablegen. Nur 120 Meter vom Fährhafen entfernt beginnt das Viertel der schwedischen Hauptstadt, aus dem benzin- und dieselbetriebene Personen- sowie Lastkraftwagen schon bald verbannt sein werden.
Ungefähr 550 Meter in die eine und 400 Meter in die andere Richtung misst der Bereich, für den die Europäische Union im April dieses Jahres grünes Licht gegeben hat: Ab 31. Dezember 2024 gilt innerhalb des Gebiets, das von vier breiten Hauptstraßen umschlossen wird, ein Fahrverbot für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren. Die großen Straßen außen herum – Hamngatan, Sveavägen, Kungsgatan, und Birger Jarlsgatan – stehen nach wie vor allen Fahrzeugen offen.
Blick die Kungsgatan hinauf. Im Viertel links davon dürfen ab 2025 nur Fahrzeuge mit Elektroantrieb fahren. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Die Birger Jarlsgatan, die östliche Außengrenze der sogenannten Umweltzone. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Die sogenannte «Umweltzone der Klasse 3» liegt im zentralen Geschäftsbereich der schwedischen Hauptstadt. In der doch sehr begrenzten Verbotszone – von einem Ende zum anderen spaziert man gemütlich in sieben Minuten – liegen Fußgängerzonen, Parkhäuser sowie eine Tunneleinfahrt und -ausfahrt. Teure Läden – darunter bekannte Mode-Labels, Uhren und Schmuckgeschäfte – prägen die Häuserzeilen, und die Büromieten sind entsprechend hoch. Die meisten Straßen sind eng, und unzählige Transporter, die entweder Waren liefern oder zu Handwerksbetrieben gehören, sind an diesem Montagvormittag unterwegs beziehungsweise halten in den Lieferzonen.
Die erste Zone in einer europäischen Stadt, in der Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren verboten sind. Bild: Stockholm Stadt
An den Rand gedrängt
«Umweltzone Klasse 3» bedeutet nach schwedischem Gesetz, dass selbst für Autos und Transporter mit hybriden Antrieben ein Fahrverbot gilt. Einzige Ausnahmen: schwere Lkw mit sogenannten Plug-in-Antrieben, Mopeds und Motorräder, Einsatzfahrzeuge oder Behindertentransporte. Das heißt, vor allem auf den Zulieferverkehr kommen in dem Viertel ab 2025 massive Beschränkungen zu.
«Wir brauchen den Verkehr, sowohl die Autos als auch die Fußgänger. Wir bekommen doch jetzt schon die Rezession zu spüren, aber mit dieser Umweltzone wird unser Umsatz noch weiter zurückgehen», erklärt Johan.
Er arbeitet im HiFi-Laden «Pause», der auf qualitativ hochwertige Unterhaltungselektronik spezialisiert und seit mehr als 20 Jahren hier ansässig ist. «Unsere Kunden kommen in den Laden, hören sich die Geräte vor Ort an und holen sich ihre Waren einige Tage später persönlich ab. Sie halten direkt vor dem Geschäft. Das sind keine Dinge, die man in der U-Bahn transportiert. Ich hoffe noch immer, dass das betreffende Gesetz aufgegeben und das Papier auf dem es steht, zerrissen wird», sagt Johan und macht dabei die entsprechende Geste.
Der HiFi-Spezialist wundert sich süffisant, ob er in Zukunft die Kosten für einen elektrischen Lieferdienst der Stadt in Rechnung stellen könne. Denn kaum einer seiner Kunden habe ein Elektroauto. Und er erklärt weiter: «Die wollen nur noch Restaurants und Clubs im Zentrum, einkaufen sollen die Menschen außerhalb der Stadt in den Malls.»
Einige Türen weiter liegt der schicke Blumenladen «Floristkompaniet». Eine Mitarbeiterin verweist gleich auf die Inhaberin, als sie das Wort «Umweltzone» hört. Sie habe zwei elektrische Fahrzeuge, ihre Lieferanten könnten sich E-Fahrzeuge nicht leisten, erklärt Malin, die Besitzerin der Boutique. Daher hoffe sie, dass das Gesetz noch angepasst wird, damit wenigstens zu gewissen Uhrzeiten mit Fahrzeugen mit Verbrennermotoren Waren angeliefert werden können. Und ähnlich wie Johan im Laden davor fügt sie hinzu:
«Sonst stirbt die Stadt, weil alle nur mehr am Stadtrand einkaufen, wo sie noch mit ihren Dieselautos oder Benzinern hinfahren dürfen. Wir finden E-Autos gut, aber das geht alles viel zu schnell, das ist zu früh und zu plötzlich.»
Außerdem befürchtet sie, dass die Lieferanten dann verbotenerweise auf den großen Straßen am Rand der Zone anhalten und ein Strafmandat fürs Falschparken kassieren. Und das kann teuer werden: Eine Missachtung des Fahrverbots kostet von 1.000 Schwedische Kronen aufwärts, umgerechnet rund 90 Euro.
Eine der schmalen Straßen im neuen Fahrverbotsbereich. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Elektrofahrzeuge versus Fußgänger und Radfahrer
Doch was sagen eigentlich die Menschen, die in den vielen Büros hier arbeiten oder Einkäufe erledigen? Schließlich soll das Gesetz vor allem sie und ihre Atemwege schützen – in der Gegend gibt es nur wenige Wohnungen. Kurz vorweg, keiner der angesprochenen Passanten wusste, dass die Umweltzone tatsächlich in Kraft tritt, und bis auf eine Ausnahme äußerten sich alle positiv.
Gleich beim «Klara-Tunnel», dessen Ein- beziehungsweise Ausfahrt in der zukünftigen Umweltzone liegt, entsteht ein neues Bürohaus. «Fertigstellung 2026» steht auf einem am Bauzaun angebrachten Plakat. Ein Bauarbeiter im typischen neongelben Overall und mit Helm unterm Arm unterwegs Richtung Baustelle antwortete, dass er selbst in der Stadt wohne und mehr E-Fahrzeuge doch besser für die Umwelt und die Menschen seien. Ein junger Mann mit Kinderwagen sprach sich ebenfalls pro Fahrverbote aus, hofft aber, dass die Stadtverwaltung für Handwerker noch Ausnahmeregeln erlässt.
«Ich wohne hier und kann mir kein Elektroauto leisten, die sind zu teuer. Aber was soll ich machen, seit 20 Jahren geht es mit Schweden den Bach runter», erwiderte eine ältere Frau auf die neuen Regeln in ihrem Viertel angesprochen. Ein jüngerer Mann, der in der Gegend arbeitet, hätte lieber mehr Platz für Fußgänger und zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesetz noch ergänzt werde, um zahlreiche Ausnahmeregelungen für Zusteller und Handwerker zu schaffen.
«Nur noch Elektro-Fahrzeuge?», fragte eine Passantin ungläubig zurück. Sie fahre täglich mit dem Fahrrad in ihr Büro hier und hoffe, «dass es in der Umweltzone dann weniger Verkehr gibt». Ihre Idealvorstellung: in Stockholm generell weniger Platz für Autos.
Schon heute sind Transporter mit Elektroantrieb in dem Viertel zu sehen. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Die rot-grüne Regierung der skandinavischen Stadt mit knapp einer Million Einwohnern wollte das Verbrennerverbot ursprünglich auch für die pittoreske, von Wasser umgebene Altstadt von Stockholm – Gamla Stan – einführen, stieß aber auf zu viel Widerstand. Da es laut Transportföretagen, dem Verband der Transportindustrie, in Schweden gar keine Busse gibt, die den Auflagen für die Umweltzone 3 entsprechen, hätte es massive Einbußen für die Tourismusbranche gegeben.
Nach Angaben des Transportverbands sind in ganz Schweden von insgesamt rund 600.000 leichten Lkw rund 17.000 rein elektrisch, also 2,8 Prozent; von rund 86.000 schweren Lkw haben rund 400 einen Elektroantrieb – das entspricht etwa 0,5 Prozent.
Doch Stockholms Regierung will mit der Einführung der Fahrverbote für Verbrenner auch das Transportwesen dazu bringen, schneller auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Zusätzlich plant die Stadt, die sogenannte Umweltzone noch im Jahr 2025 zu vergrößern. Zum Jahreswechsel 2022/23 waren laut Statistics Sweden vier Prozent aller in Schweden zugelassenen Personenkraftwagen Elektroautos.
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