«Plötzlich und unerwartet» – diesem Songtitel gemäss gewann der Rapper Phizzo vor knapp einem Jahr den NuoVision Songcontest, mit genau diesem Track, der weniger auf seinen Erfolg bei dem Musikwettbewerb gemünzt war als auf die Folgen der sogenannten Corona-Impfung. Die Jury lobte damals den Mut und die Absicht, Aufklärung zu betreiben. Die Zuschauer sahen das ähnlich und krönten Phizzo zum Sieger.
Spätestens dann war der Berliner Rapper all jenen ein Begriff, die sich für unangepasste, widerständige Musik interessieren. Dabei produziert Phizzo seit Beginn der Corona-Krise einen kritischen Song nach dem anderen. Er redet den Meinungswächtern nicht nach dem Mund, sondern sagt das, was ihm gerade auf der Zunge liegt.
Phizzo versteht sich als Freigeist. Sein neues Album demonstriert das eindrücklich, nicht nur weil es genauso heisst, sondern weil es kontroverse Themen gegen den Strich des Mainstreams bürstet. Der Schwerpunkt liegt weiterhin auf der Corona-Politik und den gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen, die mit ihr zum Vorschein gekommen sind.
Bestandsaufnahme westlicher Gesellschaften
Die insgesamt 18 Titel beschäftigen sich mit zahlreichen Aspekten des Ist-Zustands, sie archivieren einschneidende Ereignisse der letzten Jahre und beleben die soziale Stimmung, sodass sich daraus eine Bestandsaufnahme westlicher Gesellschaften ergibt. Schmeichelhaft fällt sie jedoch nicht aus. In dem Panorama, das Phizzo zeichnet, ragen Propaganda, autoritäre Staatsführung und Ungerechtigkeit hervor.
Die darin dargestellte Welt gleicht einer offenen Psychiatrie. So heisst auch einer der Songs auf dem Album. Im Grunde finden sich hier bereits alle Motive und Kernaussagen, die in den restlichen Tracks vereinzelt auftauchen. Da wäre zum Beispiel die Umkehrung aller Verhältnisse und Werte, die sich unter anderem darin zeigt, dass einst rebellische Künstler heute so willfährig die Mächtigen umschmeicheln.
Phizzo erwähnt vor allem Campino. Wie der Frontmann der Toten Hosen übernimmt mittlerweile der Grossteil etablierter Künstler die offiziellen Narrative, um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Phizzo hat dieses Phänomen bereits zu Beginn der Corona-Politik in seinem Song «Reise nach Jerusalem» verarbeitet. Adressiert ist dieser an die grossen und bekannten Rapper-Kollegen, die sich schon damals nicht trauten, die eklatante Willkür und Ungerechtigkeit anzusprechen.
Auseinandersetzung mit Medienrealität
Neben «Reise nach Jerusalem» enthält das Album weitere Auskopplungen, mit denen sich der Berliner Sprechgesangskünstler in der ausserparlamentarischen Opposition einen Namen gemacht hat. Dazu gehören «Zeugen Coronas», «Pandemiesanthrop», «Reicht Bürger» oder «Armstrong», ein Track, in dem am Beispiel des US-amerikanischen Astronauten und dessen Mondlandung, die mediale Manipulation kritisiert, ja sogar sarkastisch durch den Kakao gezogen wird.
Im Fokus steht vor allem die Macht der Bilder. Mit ihnen, gibt Phizzo wortgewandt zu verstehen, inszenieren die Medien Ereignisse und Krisen, die zwar nicht der Realität entsprechen, dafür aber den Interessen der Mächtigen dienen. Der Fernseher erscheint in den Songs als tückisches Herrschaftsinstrument, weshalb der Berliner Rapper dafür plädiert, ihn aus dem eigenen Leben zu verbannen.
Am eindringlichsten erfolgt dieser Appell in «GlotzeausmFensterChallenge», einem gemeinsamen Track mit Der Typ. «Schalt die Kiste einfach ab und wirf sie aus dem Fenster», rappt Phizzo. «Propaganda, ja sie läuft auf jedem Sender.» Begründet wird dies mit der medialen Hetze gegenüber Andersdenkenden, mit deren Ausgrenzung und den vielen «programmierten Glaubenssätzen».
Instrument der Panikmache
Im Zuge solcher Punchlines verleiht der Rapper immer wieder seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass so viele Bürger immer noch glauben, was ihnen die Leitmedien auftischen. Das gilt nicht nur für Fernsehsendungen, sondern auch für Zeitungen und Online-Portale. Was dort stehe, sei für viele noch immer ein Gesetz, heisst es etwa in «Offene Psychiatrie». Dabei handelt es sich um nichts anderes als ein Instrument zur Panikmache, wie Phizzo in dem Track «Geht bald wieder los» betont. Einige O-Töne von Karl Lauterbach unterstreichen diese Aussage und wirken zugleich entlarvend.
Der Meinungslenkung widersetzen können sich nur wirkliche Freigeister. Diese Message sendet Phizzo mit seinem Titelsong, der am Anfang des Albums steht und die Richtung für die anstehende musikalische Reise vorgibt. In klassischer Rapper-Manier wird hier das Ich in den Vordergrund gerückt. Phizzo skizziert seinen Lebensweg als Freigeist, schildert seine Erfahrungen mit institutioneller Indoktrination und umschreibt ein Mindset, mit dem sich viele kritische Geister identifizieren können.
Der Track ist erbaulich und hochpolitisch. Das gilt für die meisten Songs auf dem Album, wobei einige von ihnen das Corona-Thema verlassen, um die gleichen Kritikpunkte anhand des Ukraine-Kriegs vorzutragen. Das geschieht bisweilen äusserst humorvoll, so wie in dem Stück «Druschba», was auf Russsisch «Freundschaft» heisst. Als Protagonist tritt dort der ukrainische Präsident auf. Phizzo nennt ihn liebevoll «Wolodimir» und ahmt ihn mit einem harten Akzent nach, sodass der für Rap-Musik typische «Diss» bereits paraverbal zum Ausdruck kommt.
Bunter Klangteppich mit satirischen Einsprengseln
«Druschba» transportiert nicht nur Satire, sondern auch Elitekritik. In die gleiche Kerbe schlägt der Track «Crescendo», in dem Phizzo zusammen mit seinem Rapper-Kollegen Ukvali und der Sängerin Mea Liebe die eine oder andere prominente Agenda anspricht. Zwischendurch präsentiert der Sprechgesangskünstler ganz persönliche Stücke, die wie etwa «1 Mann Armee» den eigenen Kindern oder den Grosseltern («Da Drüben») gewidmet sind.
An diesen Stationen wird das Album sanft und emotional, bevor Tracks wie «Die Strassen sind uns» energisch zum Wippen animieren. Musikalisch rollt das Album einen durchaus bunten Klangteppich aus, auf dem melancholische Tupfer genauso erkennbar werden wie Drum-and-Bass-Einsprengsel und sphärische Töne. Der Sound kommt so vielschichtig daher wie die Songtexte, mit denen Phizzo seine Stimme gegen die Mächtigen erhebt und zugleich den freien Geist zu entfesseln versucht. In Zeiten wie diesen ist Musik dieser Art Gold wert.
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