Fünf Bildmontagen kommen den Bremer Künstler und Politikwissenschaftler Rudolph Bauer (Jahrgang 1939) sehr teuer zu stehen. Zwei Gerichtsurteile gegen ihn bedrohen aber aus seiner Sicht ebenso die Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des bundesdeutschen Grundgesetzes.
Bauer spricht von «richterlicher Missachtung – vielleicht auch Unkenntnis – des Artikel 5» des Grundgesetzes. In einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung äussert er sich ausführlich zu den Vorgängen.
Prof. Rudolph Bauer (Foto: privat)
Im ersten Fall wurde er durch das Amtsgericht Stuttgart am 26. März 2024 wegen einer Bildmontage zur Zahlung von 3000 Euro Strafe sowie zur Übernahme der Prozess- und Gerichtskosten verurteilt. Der Bundestagsabgeordnete und heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte wegen einer Collage von Bauer, entstanden in Lauterbachs Zeit als Bundestagsabgeordneter, wegen angeblicher Beleidigung geklagt.
Im zweiten Fall wurde beim Amtsgericht Bremen eine Anklage wegen angeblicher Volksverhetzung nach § 86 StGB in vier Fällen erhoben. Das Amtsgericht Bremen hatte im August 2023 die Wohnung Bauers von der Polizei durchsuchen lassen. Er schreibt dazu:
«Der Überfall durch bewaffnete Polizisten in Schutzwesten, die Durchsuchung sämtlicher Wohnräume und die Wegnahme des Smartphones dienten angeblich einer Beweissicherung. Der Vorgang wurde vom Landgericht Bremen zwei Monate später als nicht rechtens erkannt, weil die ‹Beweise› in Gestalt der Bildmontagen sowohl auf dem Instagram-Account (unter dem Hashtag #bauerrudolph) zugänglich sind als auch in mehreren Veröffentlichungen der ‹Edition Kunst› des Bergkamener pad-Verlages.»
Er habe in den vier von mehr als anderthalbtausend auf Instagram veröffentlichten Bildmontagen die Kritik an der deutschen Ukraine- und Coronapolitik durch interpiktoriale Verweise auf die Geschichte des Landes verdeutlicht. Bauer erklärte dazu:
«Ich habe in Gestalt meiner, mit dem Hashtag #politicalart gekennzeichneten Bildmontagen erstens das Recht wahrgenommen, künstlerische Aussagen zu treffen (Kunstfreiheit), die zweitens kritisch Stellung nehmen (Meinungsfreiheit) und sich drittens wissenschaftlich begründen lassen (Wissenschaftsfreiheit).»
Bauer wird unter anderem beschuldigt, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben, «welche die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Präsidenten der Ukraine Volodymyr Selenskyj und einen schwarz-weissen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt». Der auf der Bildmontage erkennbare Adler ist die Fotografie einer Skulptur aus den Bombentrümmern des untergegangenen Dritten Reichs.
Bauer versteht das als politisches Statement, mit dem er Kritik übt «sowohl am untergegangenen Nationalsozialismus als auch an der Wiederkehr nationalistischer und faschistischer Tendenzen». Hintergrund sei die Tatsache, dass auf Seiten der von der EU finanziell und mit Waffen unterstützten Ukraine auch faschistische Bandera-Truppen kämpfen, erklärt Bauer dazu.
Die Justiz verfolgt aber nicht nur den Pazifisten Bauer, sondern ebenso seine Kritik an den Corona-Massnahmen in den Jahren 2020 bis 2023. Dass der medizinische Sinn der politischen Entscheidungen gegenwärtig durch die Veröffentlichung geschwärzter Passagen der RKI-Protokolle in Zweifel gezogen wird, mache die Staatsanwaltschaft offenbar nicht nachdenklich, stellt er fest.
Sie beschuldige ihn als Künstler, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben, «die ein Konzentrationslager und den zu ‹COVID 19 IMPFSTOFF MACHT FREI› abgeänderten Schriftzug zeigt und versah diese u. a. mit dem Hashtag #impfenmachtfrei». Bauer macht darauf aufmerksam, dass die Anklage nicht einmal den Inhalt des Bildes korrekt wiedergibt, das das Tor des Konzentrationslagers Dachau zeigt.
Es stehe dem Gericht frei, seine politische Kritik nicht zu teilen, der wissenschaftlichen Begründung zu widersprechen und die Umsetzung als künstlerisch misslungen zu bewerten, so der Künstler und Politikwissenschaftler. Aber «mit der kriminalisierenden Keule der Volksverhetzung gegen mich als Künstler aufzuwarten», das überschreite die Befugnisse von Staatsanwälten und Richtern.
Bauer erinnert daran, dass die Grauen des Krieges und die Schreckensberichte über die Konzentrationslager für seine Kindheit und Jugend prägend waren. Während seines Studiums und als Hochschullehrer der Universität Bremen habe er sich eingehend mit den faschistischen Tötungsaktionen («T4») und den tödliche Menschenversuchen auseinandergesetzt und zuletzt in einem Aufsatz unter dem Titel «Die ‹Nazi Doctors› reloaded» darüber publiziert.
Zur Beleidigungsklage von Lauterbach und dem Urteil schreibt er, der Auslöser sei eine Bildmontage, veröffentlicht in der Broschüre «Charakter-Masken» der Reihe Edition Kunst des pad-Verlags (Bergkamen 2023). Die zeigt Lauterbach mit zwei leicht erhobenen linken Händen, die von der Justiz –und angeblich auch von Lauterbach – als Hitlergruss gedeutet werden.
«Ein unter die Nase des Lauterbach geklebtes Viereck – das kunstgeschichtlich berühmte Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch – gilt dem Abgebildeten und der ihm darin folgenden Justiz als ‹Hitlerbärtchen›. Vollends in die Hitler-Falle getappt sind beide, der beleidigte Lauterbach und die Amtsrichterin K., durch die schillernde Bildunterschrift: #adolf #lauterbach.»
Die schriftliche Begründung des Stuttgarter Urteils nach der Verhandlung am 26. März 2024 liege noch nicht vor, weshalb er das noch nicht kommentiere.
Er habe den Eindruck, dass die Justizbehörden «zwecks Einschüchterung ein obrigkeitliches Exempel politischer Justiz statuieren zu wollen».
«Ein solches Vorgehen gegen Künstler, Professoren und mutige Bürger hat seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 eine unselige deutsche Tradition.»
Damit müsse Schluss sein, so Bauer, der um Unterstützung bittet, um «der Justiz Einhalt zu gebieten» und sich «im Interesse der Demokratie zur Wehr setzen zu können».
Er zitiert Theodor W. Adorno, der 1963 schrieb:
«Der Nationalsozialismus lebt heute ja wohl weniger darin nach, dass man noch an seine Doktrinen glaubte – wie weit das überhaupt je der Fall war, ist fraglich – als in bestimmten formalen Beschaffenheiten des Denkens. Zu ihnen rechnen beflissene Anpassung ans je Geltende, zweiwertige Aufteilung nach Schafen und Böcken, Mangel an unmittelbaren spontanen Beziehungen zu Menschen, Dingen, Ideen, zwanghafter Konventionalismus, Glaube an Bestehendes um jeden Preis. Derlei Denkstrukturen und Syndrome sind als solche, dem Inhalt nach apolitisch, aber ihr Überleben hat politische Implikationen. Das ist vielleicht an dem, was ich mitzuteilen suche, das Ernsteste.»
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