Stephen M. Walt, Professor für Internationale Beziehungen an der Harvard University, beginnt seine in Foreign Policy veröffentlichte Analyse mit dem Titel «America Fueled the Fire in the Middle East» mit folgender Feststellung: Die Reaktion des Biden-Teams auf einen israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus zeige, wie schlecht die Biden-Administration den Nahen Osten gehandhabt habe.
Die US-Regierung habe sich davon überzeugt, dass die Region vor dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 «so ruhig gewesen sei wie seit Jahrzehnten nicht». Doch die Reaktion der USA habe die Situation verschlimmert. Walt argumentiert, dass die Politik der USA in der Region seit Jahren widersprüchlich sei und deshalb keine Lösung für das Nahostproblem gefunden werde.
Die USA verfolge seit langem eine inkonsistente Politik im Nahen Osten und die Regierungen unter Trump, Obama, Bush und Clinton hätten alle Schwierigkeiten gehabt, eine dauerhafte Lösung für den Konflikt zu finden.
Die drei Hauptziele der US-Regierung nach dem Angriff der Hamas seien: bedingungslose Unterstützung für Israel, die Verhinderung einer Eskalation des Konflikts im Gazastreifen und Israel dazu zu bringen, mit Zurückhaltung zu handeln. Doch diese Politik sei gescheitert, da sie inhärent widersprüchlich sei. Die bedingungslose Unterstützung Israels habe der israelischen Führung wenig Anreiz gegeben, den Aufrufen der USA zur Zurückhaltung zu folgen. Die Folgen seien verheerend: Tausende von Palästinensern seien getötet worden, Gaza sei zerstört, und die Gewalt habe im Westjordanland und anderswo zugenommen.
Walt argumentiert weiter, dass es falsch sei, Iran allein für die Probleme im Nahen Osten verantwortlich zu machen. Er weist darauf hin, dass die USA seit Jahrzehnten Waffen in die Region liefern und Israel bedingungslos unterstützen. Diese Unterstützung habe es Israel ermöglicht, gegenüber den Palästinensern und anderen Nachbarn kompromisslos zu handeln, ohne Nachteile fürchten zu müssen. Walt stellt auch fest, dass der Widerstand gegen eine Besatzung wie zum Beispiel in Gaza gemäss den Genfer Konventionen legitim sei und dass der Iran, obwohl dessen Regime brutal sei, seine Reaktion auf den israelischen Angriff auf sein Konsulat legitimerweise als eine Form der Selbstverteidigung betrachte.
Walt betont, dass die USA nicht weiterhin eine einseitige Unterstützung Israels aufrechterhalten können, da dies zu weiteren Konflikten und Instabilität führen werde. Er fordert eine ausgewogenere Politik, die die legitimen Interessen beider Seiten berücksichtigt und darauf abzielt, eine dauerhafte Lösung für den Konflikt zu finden.
Er schliesst mit der Feststellung, dass die USA ihre Politik im Nahen Osten grundlegend ändern müssten, damit eine Lösung gefunden werden kann. Die einseitige Unterstützung Israels und die Unfähigkeit der USA, Druck auf Israel auszuüben, hätten zu einem Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung geführt und Iran ermöglicht, sich als Verteidiger der palästinensischen Sache zu präsentieren und näher an Atomwaffen zu kommen. Walt argumentiert, dass eine Änderung der US-Politik nicht nur im Interesse der Palästinenser, sondern auch im Interesse Israels und der USA liege.
Kommentar Transition News:
Der Nahostkonflikt hat seine Wurzeln in sich gegenseitig ausschliessenden Versprechungen, die die Grossmächte England und Frankreich den Palästinensern respektive den Zionisten während und nach dem Ersten Weltkrieg machten (Stichwort Balfour-Deklaration versus Sykes-Picot Abkommen).
Lösen lässt sich der Konflikt deshalb nur mit einem Kompromiss. Spätestens mit der Suezkrise 1956 wurden die Engländer und Franzosen als ordnende Grossmacht im Nahen Osten von den Amerikanern abgelöst. Diese setzen auf bedingungslose Unterstützung Israels, was den Konflikt höchstens zeitweise entschärfen, aber nicht lösen kann.
Ein Beispiel, wie die USA vorgehen, ist die Reaktion auf die israelische Bombardierung eines iranischen Konsulates in Syrien. Der Angriff des Irans auf Israel und die Reaktion der jüdischen Regierung waren nichts weiter als eine einfache Machtdemonstration. Nachdem Israel gedroht hatte, die iranischen Atomanlagen anzugreifen, griff es lediglich einen Militärstützpunkt mit ein paar uralten Flugzeugen aus der Zeit des Schahs an.
Israel verfügt jedoch über Mittel, um eine Operation zu wiederholen, wie sie 1981 im Irak durchgeführt wurde, um die Atomanlagen von Saddam Hussein zu zerstören. Die Regie scheint hier ein Drehbuch verfasst zu haben, das die Hitzköpfe in beiden Lagern zufriedenstellt. Und das Ganze sieht nach einer abgesprochenen Aktion aus.
Auch das iranische Regime will überleben und kann sich einen Grosskonflikt mit Israel nicht leisten. Für den Moment scheint die Kriegsphase der iranisch-israelischen Konfrontation vorbei zu sein. Die Frage ist aber, was hinter diesem abgekarteten Spiel steckt. Zweifellos war der Druck der USA und der arabischen Länder auf Israel sehr stark. Die Araber haben mit Israel und den USA zusammengearbeitet, um die iranischen Drohnen zu neutralisieren.
Nun fragt sich, was die USA Israel versprechen mussten, damit sich dieses mit einer eher symbolischen Antwort an den Iran zufriedengab. Das heisst: Besteht der andere Teil des Deals vielleicht darin, dass die Israelis das grüne Licht erhalten für einen Angriff auf Rafah im Gazastreifen? Wird dieser stattfinden nach dem jüdischen Pessachfest, das am Montag, den 22. April, begann und am 30. April endet?
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